Unsortierte Erkenntnisse in China.

Shanghai, Nanjing Lu, Ortszeit 14:12

1,3 Milliarden Menschen wollen beschaeftigt werden. Und da nicht alle von ihnen in Textil-Fabriken Westmode fuer 2 Euro pro Stunde naehen koennen, hat man hier eine Menge Arbeit erfunden.

So gibt es in jedem Bus mindestens zwei Leute. Einen Fahrer und einen, der durch den Bus laeuft und Zugestiegenen den Fahrschein verkauft. In Peking kostet eine Fahrt 1 Yuan, in Shanghai 2 Yuan. Das entspricht 10 beziehungsweise 20 Euro-Cent.

In jedem Laden gibt es so unfassbar viel Personal, dass mindestens einer immer Zeit hat, den potenziellen Kunden durch den Laden zu verfolgen. Gestern wurde ich erstmals umzingelt. Wahrend meines Streifzugs durch das Geschaeft folgten mir drei Mitarbeiterauf Schritt und Tritt. In verschiedenen Winkeln und mit etwa zwei Metern Abstand.

Hinter einer Suesswaren-Theke standen gestern so viele Verkaeuferinnen, dass sie sich gegenseitig die Waren reichen mussten. Es war kein Platz mehr zum Treten.

Chinesen lieben Buerokratie und Durchschlaege. In einem Kaufhaus fuellt der Verkaeufer einen Zettel mit drei Durchschlaegen aus. Damit geht man zur Kasse, zahlt, bekommt rote Stempel auf die Durchschlaege (rote Stempel bedeuten Macht!) und kann sich dann mit einem Beleg die Ware abholen. So lief das auch in einem kleinen CD-Laden mit etwa 10 Quadratmetern, einem Kassierer und drei Verkaeuferinnen, die mich abwechselnd verfolgten.

Und gestern in der Bank war es der Gipfel. Ich hatte mir aus Deutschland Geld schicken lassen. 150 Euro. Die abzuholen erforderte eine Stunde, viel Gerede und insgesamt fuenf Formulare, von denen ich eines verstanden, aber alle unterschrieben habe. Jedesmal natuerlich mit drei Durchschlaegen. Aber am Ende gab's rote Stempel und die Geschichte muss nochmal ausfuehrlich erzaehlt werden.

Wischen ist auch sehr beliebt. Ob im Internet-Cafe, Kaufhaus, Laden oder Restaurant. Der Boden ist immer sauber, weil jederzeit Leute mit Wischmops drueberwischen. Teilweise auch auf der Strasse.

Das anstrengenste am Dauerregen in Shanghai sind uebrigens die Schirmverkaeufer. Wenn ich ablehne, versuchen nicht wenige, mich von der Sinnhaftigkeit eines Schirms zu ueberzeugen.

Nicht nur in diesen Situationen erweist sich "Bujao" als eine der wichtigsten chinesischen Floskeln. "Brauche ich nicht". Wirkt nicht immer, in der Regel aber besser als "No".

Wenn Chinesen mit den Fingern zaehlen, strecken sie zuerst alle aus und nehmen dann je einen Finger fuer jede Zahl weg. China ist nicht selten das Gegenteil von Europa.

Ueberhaupt ist Zahlen mit Fingern zeigen ein gefaehrliches Unterfangen. Die Weltreisende machte per Handzeichen klar, dass sie zwei Fleischspiesse kaufen wolle. Dachte sie. Bekam aber acht. Denn alle Zahlen bis zehn werden mit einer Hand dargestellt. Und so zaehlt man in China:

1 - Zeigefinger
2 - Zeige-, Mittelfinger
3 - Zeige-, Mittel-, Ringfinger
4 - Zeige-, Mittel-, Ring- und kleiner Finger
5 - alle Finger
6 - Kleiner Finger und Daumen abgespreizt
7 - Daumen, Zeige- und Mittelfinger bilden ein Oval
8 - Gaumen und Zeigefinger abgespreizt
9 - Faust, Zeigefinger wird nach oben gekruemmt
10 - wahlweise Faust oder Kreuzung beider Zeigefinger

Hoeflichkeit ist nicht wichtig in China. Zu Auslaendern sind die Chinesen noch sehr nett. Es herrscht tatsaechlich eine ausgepraegte Auslaenderfreundlichkeit. Untereinander aber geht es rau zu. Da wird gedraengelt, geschubst, in die Hacken getreten ohne Ruecksicht. Und niemand entschuldigt sich. Es gilt eben, sich unter 1,3 Milliarden durchzusetzen.

Strassenverkehr ist Lebensgefaehrlich. Auf Fussgaenger - als schwaechstes Glied - wird absolut keine Ruecksicht genommen. Ich habe hier noch kein Auto fuer Fuessgaenger bremsen sehen. Und ich kenne auch niemanden, der jemals eines sah. Auch Einheimische nicht.

Chinesen glauben daran, Dinge mit Akkustik bewegen zu koennen. Jedenfall wird an den Autos wohl nichts so intensiv genutzt wie die Hupen. Ich sass in Peking in einem kleinen Bus, dessen Fahrer waehrend der halben Stunde meiner Gegenwart nahezu ununterbrochen hupte.

Man kann nahezu ueberall handeln. Hier ist kein Preis fix. Wer hartnaeckig bleibt kann den Preis um bis zu 80 Prozent druecken. Habe ich geschafft. War lustig. Die Verkaeufer sind dann manchmal eingeschnappt, reissen einem das Geld aus der Hand und schmeissen einem die Ware zu. Aber das muss so. Das ist der Sport.

Und Produktpiraterie macht auch vor ganzen Einrichtungen nicht halt. Vorgerstern war ich mit einer schoenen Chinesin bei "Starbucks". Das Logo sah wie das des Originals aus - nur eben mit chinesischer Schrift und einer Kaffeetasse an Stelle der Nixe in der Mitte. Und drinnen bedienten Kellner mit Weste, Fliege und kleinen silbernen Tabletts. In der Karte waren auch verschiedene Starbuck-Kaffees aufgelistet.

Das Original gibt es hier um Uebrigen auch. Damit habe ich nun bereits auf drei Kontinenten Starbucks-Filialen besucht. Und da ist Nordamerika nicht mal dabei. Damals kannte ich die Kette noch nicht.

Ich dachte auch kurz ueber einen Ix-Gedenk-Stuhlgang nach, entschied mich aber dagegen. Toiletten sind hier eher in die Rubrik "Abenteuer" einzuordnen.

Wie auch Friseursalons. Da gibt es naemlich solche und solche. In den einen sind Maenner und Kunden. Da kann man sich die Haare schneiden lassen. In den anderen sitzen nur Maedchen auf den Stuehlen und tun nichts. Da kann man koerperliche Zuwendung kaufen.

Es gaebe noch vieles zu erzaehlen. Das fiel mir grad spontan ein.


08:12 Uhr von sebasLink4x mitgegeplaudertMitplaudern






 
Erinnert mich alles auch an meine zweite Heimat: Bons an der Kasse zahlen und damit die Ware holen. Tee trinken und Essen im Zug. Rote Stempel auf Durchschlägen. Viele Verkäufer. Und nicht zuletzt die beschriebene Zählweise. Hach!

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Zählen...
moin,

sehr schöne geschichte... noch eine minimale klugscheißerei am rande - um die verwirrung komplett zu machen, zählen chinesen rund um beijing mit den kleinen finger 1, kleiner und ringfinger 2, kleiner, ring- und mittelfinger 3, rest bleibt.

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Ach ja, das blöde Feilschen. Ich habe einmal bei einem Souvenirstand eine Kette gesehen, die ich haben wollte. Auf die Frage, wieviel sie kosten würde, meinte der Händler: 50 yuan.
Ich: I give you 5.
Er: Okay.

Was wohl bedeutet, ich hätte sie auch für 2 gekriegt und das wäre immer noch zuviel gewesen.

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Oh, das muss die goldene Zeit gewesen sein. Ich wünschte, es wäre nur einmal so leicht gewesen. Aber die waren wirklich hartnäckig. Und am Ende immer eingeschnappt.

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