Urlaub ohne Rückkehr.

Nein, am Anfang war der Gedanke nicht gewöhnungsbedürftig. Das kam später. Anfangs war er schlicht absurd. Ein fremder Mensch in meiner Wohnung. In meinen Sachen. Jemand der aufräumt, bügelt und abwäscht. Gegen Geld. Pah.

Der Leidensdruck aber war hoch. Man kommt ja zu nichts als schnöseliger, ungebildeter Emporkömmling. Also war das Hausmädchen engagiert. Ein blutjunges, bildschönes Mädchen aus Südamerika. Sie wolle, so sagte man mir, ihr Studium finanzieren.

Das ist jetzt auch schon zwei Jahre her. Wir sind uns in all der Zeit sicher seltener als fünfmal begegnet. Freitags verließ ich das, was ich in der Woche zuvor aus meiner Wohnung gemacht hatte, und wenn ich abends oder meist auch erst am Montagabend wiederkehrte, erkannte ich zuerst am Bett, dass sie da war.

Man sieht mein Bett von der Wohnungstür aus. Und wenn sie da war, war es nett aufgeschüttelt und zurechtgemacht. Dann hatte sie auch gesaugt, abgewaschen, gebügelt und allen Dingen in der Wohnung nach und nach neue Plätze gegeben.

Es war immer recht spannend nach ihren Besuchen. Weil ich nie so genau wusste, wo ich die Dinge wiederfinden würde. Wobei das mit dem Finden so eine Sache ist. Sie fand hier und da auch Dinge, von denen es mir lieber gewesen wäre, sie hätte sie nicht gefunden. Und damit meine ich weder Kontoauszüge noch Unterhaltsbescheide.

Dinge eben, die man sich mal ansieht, wenn man oft allein ist und ein bisschen optische Stimulation sucht. Oder auch Dinge, die man dann so benutzt. Wahrscheinlich hielt sie mich für eine elende Drecksau. Jedenfalls fühlte ich mich so, wenn ich wieder etwas davon achtlos liegen gelassen oder sie das Versteck gefunden hatte. Das geschah zum Glück nicht oft.

In der Summe war ich irgendwann sehr froh über den kleinen Luxus in meinem Leben, der mich von den lästigen Dingen befreite. Und er kostete mich sicher weniger als einen passionierten Raucher seine Sucht. Was freilich nichts daran ändert, dass man sehr merkwürdig angesehen wird, wenn man eine Haushälterin beschäftigt.

Vor zwei Monaten nun verabschiedete sie sich in den Urlaub. Ich habe mir das Datum ihrer Rückkehr nicht gemerkt. Aber es war irgendein Tag im September. Nun haben wir Oktober und sie war immer noch nicht da. Kurz vor der Verwahrlosung habe ich selbst Hand angelegt. Und zum ersten Mal seit zwei Jahren mal wieder abgewaschen. Und Hemden gebügelt.

Jedenfalls anfangs. Letzteres lasse ich jetzt wieder professionell erledigen – in der Reinigung nebenan. Für 1,20 pro Hemd. Aber so ganz komme ich gegen die Verwahrlosungstendenzen hier nicht an. Ich verbringe so viel Zeit hier, dass es mir gelingt, deutliche Spuren zu hinterlassen aber wiederum so wenig, dass keine bleibt, eben diese Spuren auch wieder zu beseitigen.

Und nun, da ich die Wohnung für den Besuch der Eltern meiner Patenkinder zumindest in einen notgepflegten Zustand bringen musste und mir dafür eine halbe Nacht um die Ohren schlug, steht für mich fest: Es muss eine neue Putzfrau her.

Aber wie findet man eine vertrauenswürdige Seele? Damals war es die Empfehlung vom Gastronom meines Vertrauens. Diesmal stehe ich allein im Wald. Ich versuche es wohl mal via Kleinanzeige. Und vielleicht sollte ich das Schloss auswechseln lassen. Irgendwo zwischen Südamerika und Pöseldorf fliegt schließlich noch ein Schlüssel rum.

Ach, ich wünschte, sie wäre aus dem Urlaub zurückgekehrt. Ich hatte mich doch inzwischen so an ihre Existenz in meinem Leben, meiner Wohnung gewöhnt.


10:57 Uhr von sebasLink4x mitgegeplaudertMitplaudern






 
Schade,
dass Sie nicht in meiner Stadt und in meinem Viertel wohnen, sonst könnten wir uns eine teilen.

Aber nett ausgedrückt, mit der Zeit für Spuren und deren Entfernung. Das Rätsel ist also gelöst. ;-)

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Ich wäre sofort dabei. :) Aber welches Rätsel?

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Na das Rätsel wie die Wohnung doch immer wieder auf wundersame Weise einem Müllhaufen näher und näher kommt, obwohl man doch quasi nie das ist und ergo auch immer die Zeit zum Aufräumen und Putzen fehlt.
Es ist wohl wirklich dieser ganz schmale Grat zwischen da sein und nicht da sein, ja quasi wieZeitblitze. ;-)

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"Oder auch Dinge, die man dann so benutzt. "

????

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